Die Zunft Riesbach
Am 7. Juni 1336 stürmten Handwerker und Krämer unter Führung des jungen Ritters Rudolf Brun das Zürcher Rathaus. Rudolf Brun einigte sich mit den politisch führenden Familien und liess sich von ihnen zum Bürgermeister der Stadt Zürich wählen. Im «Ersten Geschworenen Brief» führte Rudolf Brun die so genannte Zunftverfassung ein, mit der er die Handwerker und gewerblichen Berufe in 13 Zünften organisierte und an der Macht beteiligte. Den eigenen Stand und Reste der einstigen Oberschicht fasste er in der Constaffel zusammen. Er hob damit das bis 1336 bestehende Zunftverbot auf. Die Schaffung der Zünfte stellte in der zürcherischen Geschichte einen bedeutenden Schritt auf dem Weg zur Staatlichkeit dar. Zusammen mit der Constaffel, die im 15. Jahrhundert den Zünften angeglichen wurde, bildeten die Zünfte bis zu ihrer Aufhebung im Jahr 1798 die zentralen Pfeiler des zürcherischen Stadtstaates. Neben politischen und wirtschaftlichen Aufgaben nahmen die Zünfte auch soziale und religiöse Pflichten wahr. Damit machten die Zünfte wie auch die Constaffel einen Wandel durch, der sie von den Zünften anderer Städte unterschied. Weder in Bern noch in Luzern haben die Zünfte eine vergleichbare politische Stellung erreicht.
Proklamation der Helvetischen Republik
Mit der Proklamation der Helvetischen Republik 1798 endete die Zunftherrschaft. Die Zünfte verteilten ihre Zunftgüter und lösten sich auf. Die Neukonstituierung der alten Zünfte als Zunftgesellschaften wurde durch die von Napoleon diktierte Mediationsverfassung von 1803 gefördert. Diese schuf neu 65 politische Zünfte, sogenannte Wahlzünfte, 13 in Zürich und 52 in den weiteren 4 Bezirken des Kantons. Sie waren blosse Wahlkörper, die den Grossen Rat wählten. In der Stadt Zürich wurden die dreizehn Wahlzünfte nach den historischen Zünften benannt, und man teilte die Stimmberechtigten nicht wie auf der Landschaft nach Wohnort, sondern so weit möglich «von Handwerks wegen» den einzelnen Zünften zu. Für die Landschaft war die Einteilung in die Landzünfte ein politisch wichtiges Signal. Die Landleute erhielten so das Gefühl, nun endlich in die Zunftherrschaft eingebunden zu sein. Das Nebeneinander von öffentlich-rechtlichen Zünften und privatrechtlichen Zunftgesellschaften liess den alten Zunftgeist wieder aufflackern. Dieser überlebte auch das Jahr 1866, als das seit der Verfassungsrevision von 1837 auf die Stadt beschränkte Wahlrecht der Zünfte auf die Einwohnergemeinde überging und die politischen Zünfte endgültig ihr öffentliches Mandat verloren.
Der Anfang der Zunft Riesbach
Ihren Anfang nahm die Zunft Riesbach anlässlich eines Fasnachtsumzugs, der am 28. Februar 1887 stattfand und wegen seiner fantasievollen Gestaltung, Grösse und Farbenpracht weitherum grosses Aufsehen erregt hatte. Die Neue Zürcher Zeitung schrieb damals: «Ungeheure Volksmassen wälzten sich bei schönem Wetter durch die Seefeldstrasse, um den kostümierten Fasnacht-Zug der Riesbächler mit anzusehen.» Die Initianten und Organisatoren gründeten in der Folge am 3. April 1887 im Restaurant «Grütli» einen Verein mit dem Namen «Zunft Riesbach», um künftig «bei geeigneten Anlässen wie Fasnacht, Sechseläuten usw. humoristische Umzüge und Spiele» durchzuführen. Vom neu gegründeten Verein wurde auch 1888 ein Fasnachtsumzug organisiert und in der Manöverkritik wurde festgehalten, dass der Umzug sich wieder unter «colossaler Zuschauermenge» abgespielt hatte. Der Aufwand war beachtlich gewesen, weshalb man beschloss, in den folgenden Jahren «dem Vorstand und der Bevölkerung einmal Ruhe zu gewähren». Die Teilnahme der Zunft Riesbach an der Bundesfeier 1891 brachte eine erste Annäherung an die gleichfalls teilnehmenden alten Zünfte. Nachdem die Stadtbevölkerung durch die Eingemeindungen von 1893 von 28'000 auf 107'000 angewachsen war, lud das Sechseläuten-Central-Comité Vertreter der neuen Stadtkreise zu einer Sitzung ein und schlug ihnen vor, in den Quartieren ebenfalls Zünfte zu gründen. Das Sechseläuten-Central-Comité hoffte, dass der Sechseläutenumzug 1894 so zu einem gemeinsamen Fest von ganz Zürich werde. Einzig Riesbach verfügte über entsprechende Umzugserfahrung und sagte eine Teilnahme zu. Riesbach sollte in der Folge zwei Umzugsgruppen aufstellen mit den Themen «Geschäftsreise» und «Reise zum Feste». Für die zweite Gruppe übernahm man vom Schneidermeister Baumgartner aus Dielsdorf 13 historische Wehntalertrachten. Diese alte Zürcher Landtracht wird seit der ersten Sechseläutenteilnahme von den Riesbächler Zünftern als Festkleidung getragen. Einer Aufnahme in das Sechseläuten-Central-Comité stand noch ein Hindernis im Weg: Die im Vereinszweck erwähnte Beziehung zur Fasnacht. Nach einer Änderung der Statuten, in der sich die Zunft zur Feier des Sechseläutens in «zunftgebräuchlicher Weise» bekannte, wurde die Zunft Riesbach ins Sechseläuten-Central-Comité aufgenommen. Das Sechseläuten-Central-Comité, welches 1914 in «Zentralkomitee der Zünfte Zürichs (ZZZ)» umbenannt wurde, musste sich aber bis zum Schluss um seine erste Quartierzunft bemühen und forderte die Zunft Riesbach am 27. Juli 1895 schriftlich auf, sich nun endlich um eine Aufnahme zu bewerben. Das Aufnahmegesuch traf erst nach der zweiten Mahnung ein. Der Riesbächler Aktuar hatte trotz entsprechendem Beschluss der Vorsteherschaft vergessen, die Anmeldung abzuschicken. Am 9. Januar 1896 wurde die Zunft Riesbach einstimmig in den Zunftverband aufgenommen.
In Rot ein silbernes Rebmesser mit goldenem Griff, so wird das Wappen der Zunft Riesbach beschrieben. Es handelt sich um das Wappen der ehemaligen Gemeinde Riesbach, wie es 1722 erstmals auf dem «Füürchübel zue Riespach» auftauchte. Es knüpft an die Rebberge an, welche die sonnigen Hänge des Burghügels, der Weinegg, der Flüen und des Wonnebergs bedeckten und manchen Rebbauern Arbeit und Auskommen boten. Am Sechseläutenumzug stellt die Zunft Riesbach denn auch das Rebhandwerk dar.